Bericht Nr. 2: Die Schule — BEATRIX AUS DEUTSCHLAND BESUCHT AMITOFO CARE CENTRE IN NAMIBIA

Meine 2. Woche bei Amitofo in Namibia beginnt mit einer Preisverleihung an die Schüler. Das zweite Trimester ist gerade zu Ende gegangen, so dass der Augenblick günstig ist: In jeder Klasse wird jeweils ein Preis für die beste Leistung, für die beste Entwicklung und für das beste Verhalten verliehen. Bei 3 Klassen bedeutet das 9 Preise. Die Schüler wissen an diesem Montagmorgen noch von nichts. Aber es ist schon sehr außergewöhnlich, dass die Direktorin, Min Chen, sich an diesem Morgen ebenfalls auf dem Schulhof befindet. Sie steht mit dem Schulleiter, Paul Frederik Damaseb, zusammen und unterhält sich. Die Schüler beziehen Aufstellung vor der Bühne, die sich auf dem Schulhof befindet. Paul betritt die Bühne und hält die Kinder zuerst an, einige Lieder zu singen. Sie kommen dem mit wahrer Begeisterung nach. Dann steigert Paul die Spannung der Kinder noch weiter, indem er auf das Geheimnis hinweist, das diesen Morgen umgibt. Als er letztendlich die Katze aus dem Sack lässt, fangen alle Kinder an zu strahlen. Einige hüpfen von einem Bein auf das andere, in Hoffnung darauf, dass auch ihr Name genannt wird. Die Preise werden verteilt. Nicht jede Hoffnung wird erfüllt. Aber nach einem kurzen Moment der Enttäuschung sieht man, wie sich die Kinder, die nicht gewonnen haben, für die Glücklicheren freuen. Die Direktorin gibt den Kindern noch ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg. Der feierliche Augenblick ist vorüber.
Das namibische Schulsystem verfügt über die Stufen 1 – 12. Der Schulbesuch ist seit einigen Jahren kostenfrei. Allerdings wird aufgrund der schwierigen finanziellen Situation darüber nachgedacht, doch wieder Schulgebühren einzuführen. Es herrscht Schulpflicht.
Die Yuan Jue Privatschule, die von Amitofo unterhalten wird, verfügt derzeit über drei Klassen: eine Vorschulklasse (hier Stufe 0) mit 23 Kindern und zwei Stufe 1 Klassen mit insgesamt 31 Kindern. Mit dem neuen Schuljahr, das im Januar 2018 beginnt, soll es die erste Stufe 2 Klasse geben. Es ist das erklärte Ziel von Min Chen, den gesamten namibischen Lehrplan in der Schule abzubilden. Alle Stufen (1 – 12) sollen in den nächsten Jahren angeboten werden. Die Kinder erhalten so die Möglichkeit zu einer kontinuierlichen Ausbildung mit einem stabilen Umfeld, gewohnten Strukturen und den gewohnten Freunden. Eine Ausbildung, die zudem über den Lehrplan der öffentlichen Schulen hinausgeht, denn die Kinder haben fast täglich Martial-Arts- und Chinesisch-Unterricht sowie Ethik-/Meditationsunterricht beim Shifu (= respektvolle Anrede für eine/n Lehrer/in). Hierbei geht es nicht um den Buddhismus als Religion, sondern um die Vermittlung von Werten und um das Erlernen der Meditation als Kunst, einen ausgeglichenen und fokussierten Geist zu erlangen.
Die geplante Ausdehnung des Lehrbetriebes auf alle Grades bedeutet eine erhebliche Ausdehnung der Schülerschaft. Bis zu 500 Schüler sollen Gelegenheit erhalten, die Yuan Jue Privatschule zu besuchen. Die Lehrerschaft, ebenso wie alles übrige Personal – von Küchenhilfen über Reinigungskräften – wird entsprechend aufgestockt werden. Somit steigt die Bedeutung von Amitofo Care Centre und der Yuan Jue Privatschule als Arbeitgeber in der Region.
Doch dies alles ist noch Zukunftsmusik, zurzeit gibt es vierundfünfzig 6-8-jährige, die rundherum versorgt werden. Ausserhalb der Schule kümmern sich Caregivers um sie: junge Frauen, die aus den verschiedenen namibischen Stämmen kommen und jeweils 8 Kinder betreuen, sie wiederholen Schulstoff, spenden Trost und schlafen bei ihnen. Hierdurch soll es für die Kinder alltäglich bleiben, in ihren Sprachen zu sprechen und ihre Lieder zu singen. Denn das Ziel ist nicht, die Kinder zu entwurzeln, sondern ihnen eine Vielfalt zu bieten, in der ihre Herkunftskultur nicht fehlen darf.
Das Interview heute führe ich mit Paul Frederik Damaseb, dem Schulleiter. Er ist 63 Jahre alt, Namibier mit Damara als Muttersprache
F: Paul, seit wann arbeitest Du für die Yuan Jue Privatschule?
A: Seit ungefähr Juni 2016

 

F: Welchen Hintergrund hast Du?
A: Ich habe 37 Jahre lang als Lehrer gearbeitet, auch in der Funktion als Schulleiter. Außerdem war ich einige Jahre lang der Bürgermeister von Okahandja.

 

F: Die Kinder kommen aus einem schwierigen Umfeld. Wie macht sich das bemerkbar?
A: Zuerst möchte ich in diesem Zusammenhang betonen, wie bedauerlich es ist, dass nicht alle Kinder die gleichen Chancen haben. Einige Kinder kommen aus einem wirklich armen Umfeld und es ist gut zu sehen, dass Amitofo zumindest einige davon zurück in das System bring.
Einige der Kinder, die hierher kommen, zeigen Defizite in der Zusammenarbeit und in der Eingewöhnung in das neue Umfeld. In diesen Fällen ist es gut, auf eine lange Erfahrung zurückzublicken. Es hilft, die passenden Lösungen zu finden. Ab und zu erteilen wir Sonderstunden, um den Kindern zu helfen, sich an das neue Umfeld zu gewöhnen, ab und zu bitten wir Lehrer anderer Schulen in Okahandja um Hilfe. Der Austausch mit den Schulen in Okahandja ist sehr gut. Lehrer von anderen Schulen sind bereit, uns im Notfall zu unterstützen.

 

F: Wie äußert sich der erweiterte Lehrplan mit Kung-Fu und Meditation bei den Kindern?
A:Man sieht in der Tat Unterschiede. Die Kinder sind fokussierter und in der Lage, sich zu beruhigen. Aufgrund der Kung-Fu-Stunden befinden sie sich in einer wirklich guten physischen Verfassung.

 

F: Eine buddhistische Organisation als Arbeitgeber: Was bedeutet das für Dich?
A: Es macht keinen Unterschieden. Mir geht es um Werte und um das Ziel. Es ist unser gemeinsames Ziel, zum Besten der Kinder zu arbeiten. Um dies zu erreichen ist es vollkommen egal, ab der Arbeitgeber eine buddhistische, christliche oder sonstige Organisation ist.

Report Nr. 3: Aufnahmeprozess für das „Amitofo Care Centre“

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